Sutermeister, Hans Martin
Hans Martin Sutermeister, Pseudonym: Hans Möhrlen (* 29. September 1907 in Rued (AG); † 5. Mai 1977 in Basel) war ein Schweizer Arzt, (populärwissenschaftlicher) Schriftsteller und Politiker.
Leben
Der Sohn des religiösen Sozialisten Friedrich Sutermeister und Bruder von Peter Sutermeister studierte nach der Matura 1926 Theologie, brach das Studium ab und wechselte auf Medizin in Basel und Deutschland. Nach dem Studienabschluss veröffentlichte er 1942 seine autobiografische Novelle Zwischen zwei Welten, eine Abrechnung mit seiner Jugend und protestantischen Erziehung. Sein bekanntestes populärwissenschaftliches Buch, Psychologie und Weltanschauung, erschien 1944.
Von 1946 bis 1947 war er Medical Officer bei der United Nations Relief and Rehabilitation Administration in Deutschland, Polen und der Tschechoslowakei. 1949 erzählte er auf seinen Romanseiten Fahrt durch Europas Ruinen im Berner Tagblatt seine Erlebnisse als Berner Flüchtlingsarzt.
Danach führte er eine Arztpraxis in Bern und versuchte vergebens, unter Jakob Klaesi mit einer Arbeit über Friedrich Schiller in Bern zu habilitieren. Er bewunderte Schiller mehr als Goethe und sah in ihm, wie auch im Komponisten Robert Schumann, ein medizinisches „Genieproblem“. Darüber schrieb er einige Fachartikel. Er verkehrte in Gustav Hans Grabers Psychologischer Gesellschaft Bern.
1967 wurde er als Vertreter des Landesrings der Unabhängigen in den Berner Gemeinderat (Stadtregierung) gewählt. Dort leitete er die Schuldirektion, da Klaus Schädelin ihm die Fürsorgedirektion nicht abtreten wollte. Von 1966 bis 1971 sass er zudem im Berner Grossen Rat (Kantonsparlament). Er verkehrte im Diskussionskeller Junkere 37, wo er mit Nonkonformisten zusammenkam. Seine kurze Begeisterung für die Sowjetunion kam im Artikel Ist Moskau eine Reise wert? im „zeitkritischen Magazin“ Focus, einem Sprachrohr von Walter Matthias Diggelmann, Sergius Golowin und Hans Mühlethaler, zum Ausdruck. In Fredi Lerchs Muellers Weg ins Paradies besucht ihn der Gammlerpoet René E. Mueller in seinem Büro. Im Grossen Rat verteidigte er Guido Bachmanns Gilgamesch. Das u. a. von Hans Mühlethalers Tochter in der Primarschule in Umlauf gebrachte kleine rote Schülerbuch wurde ihm zum Verhängnis. 1971 het's gchlöpft (kann man alles in den Protokollen im Staats- und Stadtarchiv nachlesen), er wurde aus dem Gemeinderat abgewählt und zog nach Basel, wo er eine neue Arztpraxis eröffnete.
Als Mitbegründer der Schweizerischen Gefangenengewerkschaft (u. a. mit Kurt Marti und Klaus Schädelin) und Mitarbeiter des Büros gegen Amts- und Verbandswillkür des Migros setzte er sich für die Rechte von strafrechtlich Verurteilten ein. Er schrieb dazu Artikel im Beobachter. Auf seinen Erfahrungen als Justizirrtumsjäger basiert das 1976 erschienene Summa Iniuria: Ein Pitaval der Justizirrtümer, im Eigenverlag gerduckt, da er für die 800seitige Streitschrift keinen Verleger fand.
Hans Martin Sutermeister war mit einer Berlinerin verheiratet und Vater dreier Töchter. Er ist auf dem Basler Friedhof am Hörnli begraben. Die grosse Mehrheit von Sutermeisters Schriften sind nicht literarisch, sondern umfassen allgemeinmedizinische, medizinhistorische und psychologische Themen. Sein Nachlass mit persönlichen Dokumenten, Korrespondenz und Handexemplaren befindet sich in der Burgerbibliothek Bern.
Werke (Auswahl)
- Zwischen zwei Welten: Novelle. Mettler & Salz, Bern 1942.
- Psychologie und Weltanschauung. Hans Huber, Bern 1944.
- Von Tanz, Musik und anderen schönen Dingen: Psychologische Plaudereien. Hans Huber, Bern 1944.
- Zur Kontroverse ‘Abstrakt-Konkret’. In: Abstrakt, konkret: Bulletin der Galerie des Eaux Vives. Band 11, 1945 (2 Seiten).
- Der Neopositivismus als kommende ‘Einheitsweltanschauung’? In: Der Freidenker. Band 28, 1945, Nr. 8 und 9.
- Wünsche an die Welt von morgen. In: Schweizerische Hochschulzeitung. Band 19, Nr. 1, 1945/46, 2 Seiten.
- Zum Thema Mode und Medizin. In: Praxis. Band 37, Nr. 46, 1948, S. 860–862.
- Fahrt durch Europas Ruinen: Erlebnisse eines Berner Flüchtlingsarztes. Romanseiten der Sonntagsbeilage des Berner Tagblatts vom 15. Mai 1949, S. 12, und 22. Mai 1949, S. 7.
- Kleiner Walzer für Violine und Piano. Komposition, 1949.
- Kleiner Walzer für Klavier. Komposition, 1949.
- Über Farben- und Musiktherapie. In: Gesundheit und Wohlfahrt. Band 30, Nr. 1, 1950.
- Medizin und Presse. In: Der Bund. 20. April 1950.
- Zur Psychologie des Kurpfuschers. In: Praxis. Band 39, Nr. 52, 1950, S. 1115–1122.
- Musiktherapie. In: Universitas: Zeitschrift für Wissenschaft, Kunst und Literatur. 6, Nr. 3, 1951, S. 307–318.
- Masse und Musik. In: Du: kulturelle Monatsschrift. 12, 1952, S. 61, 62 und 64.
- Schiller als Arzt: ein Beitrag zur Geschichte der psychosomatischen Forschung. In: Berner Beiträge zur Geschichte der Medizin und der Naturwissenschaften. 1955.
- Georg Christoph Lichtenberg und die Medizin. In: Münchner Medizinische Wochenschrift. Band 97, Nr. 39, 1955, S. 1288–1290.
- Film und Psychohygiene. In: Praxis. Band 44, Nr. 15, 1955, S. 328–334.
- Vom ärztlichen Ethos. In: Praxis. Band 44, Nr. 31, 1955, S. 708–711.
- Screen–hypnosis. In: British Journal of Medical Hypnotism. 7 (1), S. 35–37.
- Der Alltag des Arztes. In: Ulrich Frey, Hans Martin Sutermeister, Werner Messerli: Der Arzt. Paul Haupt, Bern 1956, S. 20–31.
- Das Rätsel um Robert Schumanns Krankheit. Ein Beitrag zum Genieproblem. In: Praxis. Band 48, Nr. 51, 1959, S. 1177–1185.
- Autohipnosis del espectador cinematográfico. In: Revista Latino-Americana de Hipnosis Clínica. 1960, 1, p. 23-24.
- Medizin im Schatten der Schlagworte. In: Therapie der Gegenwart. Band 102, Nr. 10, 1963, S. 1087–1097.
- Zum Tag der Menschenrechte. Pamphlet, 10. Dezember 1968.
- Ist Moskau eine Reise wert? Neue Schul-Modelle in Ost und West. Mit zwei Zeichnungen („Lehrer sein heisst Schweizer sein“ und „Werde Lehrer, tob dich aus“) von Friedrich Dürrenmatt. In: focus: das zeitkritische magazin. Nr. 7, April 1970, S. 35–36.
Quellen
- Carl Heinrich: Hans Moehrlen: „Zwischen zwei Welten“. In: Die Gefährten: Monatsschrift für Erkenntnis und Tat. 9–17, 1947, S. 69.
- Willy Keller (Hrsg.): Sutermeister, Hans-Martin. In: Schweizer Biographisches Archiv. 1, EPI Verlag Internationaler Publikationen, Zürich/Lugano/Vaduz 1952, S. 123–124.
- Leopold von Wiese: Ethik in der Schauweise der Wissenschaften vom Menschen und von der Gesellschaft. Francke Verlag, Bern 1960, S. 102–109.
- Gerhard Mauz: Schuldig, weil wir keinen anderen haben. In: Der Spiegel. Nr. 18, 1965, S. 116 und 118.
- Heinz Däpp Heinz Däpp: Die zwei Seelen in Sutermeisters Brust. In: National-Zeitung. Nr. 282, 24. Juni 1970, S. 6.
- Sergius Golowin: Die Schule der Angst. In: focus: das zeitkritische magazin. Nr. 10 (Sondernummer), Juli/August 1970, S. 44.
- Heinz Däpp: Sutermeister und die Folgen: Wie sollen linke Berner wählen? In: National-Zeitung. Nr. 356, 6. August 1970, S. 3.
- Hans Mühlethaler: die kleine rote schülerbuch-affäre. In: focus: das zeitkritische magazin. Nr. 11, 1970, S. 26–28.
- Urs Marc Eberhard: Nachruf. In: Berner Jugend – Berner Schule. Nr. 2, Schulamt der Stadt Bern, Juni 1977, S. 11.
- Anton Schaller: Zwischen zwei Welten: Erinnerung an den Landesring oder was eine kleine Novelle bewirken kann. Kolumne 182 auf Seniorweb.ch, 29. April 2012.
- Fredi Lerch: Frühes Zeugnis von Schweizer Nonkonformismus. In: Revista Espaço Acadêmico. Band 12, Nr. 134, Juli 2012, S. 181–183.
Weblinks
- Nachlass von Hans Martin Sutermeister in der Burgerbibliothek Bern
- Schweizerisches Literaturarchiv (SLA). Nonkonformismus Archiv Fredi Lerch - Sutermeister, Hans Martin
- Hans Martin Sutermeister auf Wikipedia
Weblinks UB Bern
- Autorenhomepage von Hans Martin Sutermeister (NB, wenn Kategorie = Webarchiv)