Dürrenmatt, Friedrich
Friedrich Josef Dürrenmatt (* 5. Januar 1921 in Konolfingen; † 14. Dezember 1990 in Neuenburg) war ein Schweizer Schriftsteller, Dramatiker und Maler.
Persönlicher Beitrag
Friedrich Dürrenmatt, geboren am 5.1.1921 in Konolfingen als Sohn eines protestantischen Pfarrers, erwarb in Bern die Maturität und studierte in Zürich und Bern Literatur, Philosophie und Naturwissenschaften. Er schwankte zwischen dem Beruf des Malers und dem des Schriftstellers, für den er sich früh entschied. Aber immer hat er auch gemalt und gezeichnet: Seine Bilder und Skizzen machen deutlich, dass für ihn das Theater eine "Verbindung zwischen Schreiben und Malen" war. 1946 bis zu ihrem Tode 1983 verheiratet mit Lotti Geissler (drei Kinder). Seit 1984 verheiratet mit Charlotte Kerr. Er ist am 14.12.1990 einem Herzinfarkt erlegen. (Auszug aus "Kritisches Lexikon zur deutschsprachigen Gegenwartsliteratur")
Leben
Friedrich Dürrenmatt wurde am 5. Januar 1921 in Konolfingen im Kanton Bern geboren. Sein Grossvater war der Politiker Ulrich Dürrenmatt, sein Vater Reinhold Dürrenmatt war reformierter Pfarrer des Dorfes. 1924 kam seine Schwester Verena zur Welt. 1935 zog die Familie nach Bern um, wo der Vater Pfarrer am Diakonissenhaus wurde. Die Weltwirtschaftskrise machte sich zu diesem Zeitpunkt auch in der Schweiz bemerkbar, und das mittelständische Bürgertum wurde ärmer. Friedrich Dürrenmatt besuchte zunächst das Berner Freie Gymnasium, später das Humboldtianum, an dem er 1941 die Matura ablegte. Er war kein besonders guter Schüler (Gesamtnote: „knapp ausreichend“) und bezeichnete seine Schulzeit selbst als die „übelste Zeit“ seines Lebens. Die Schule wechselte er, weil ihm die Art des Unterrichts nicht gefiel, weil er schlechte Noten hatte und weil er durch sein Verhalten bei den Lehrern aneckte. Kurzzeitig war Dürrenmatt 1941 Mitglied einer Fröntler-Vereinigung, um sich von seinem Vater abzugrenzen, wie er später einräumte.[1]
Noch in Konolfingen begann er zu malen und zu zeichnen, eine Neigung, die er sein Leben lang verspüren sollte. Er illustrierte später manches seiner eigenen Werke, verfasste Skizzen, zum Teil ganze Bühnenbilder. Seine Bilder wurden 1976 und 1985 in Neuenburg, 1978 in Zürich ausgestellt. Eigentlich wollte er eine Ausbildung zum Kunstmaler machen, studierte aber dann ab 1941 Philosophie, Naturwissenschaften und Germanistik an der Universität Bern, dazwischen 1942/43 an der Universität Zürich. In Bern wohnte er bei seinen Eltern in einer Mansarde, die er mit grossen Wandbildern ausstattete, die später übertüncht und erst Anfang der neunziger Jahre entdeckt, freigelegt und restauriert wurden. 1946 beendete er das Studium, ohne seine geplante Dissertation zu Søren Kierkegaard auch nur anzufangen, entschlossen, Schriftsteller zu werden.
Sein erstes veröffentlichtes Stück, Es steht geschrieben, wurde 1947 am Schauspielhaus Zürich uraufgeführt. Am 11. Oktober 1946 heiratete er die Schauspielerin Lotti Geissler; darauf zogen sie zunächst nach Basel, wo 1947 ihr Sohn Peter geboren wurde, dann 1948 nach Schernelz am Bielersee. Dort entstand 1950 der Kriminalroman Der Richter und sein Henker mit offenem Bezug auf angrenzende Lokalitäten wie Lamboing.
Die ersten Jahre bis 1952 als freier Schriftsteller waren finanziell schwierig für Dürrenmatt und seine bald fünfköpfige Familie. Dann besserte sich die finanzielle Situation, besonders aufgrund von Aufträgen deutscher Rundfunkanstalten, weswegen einige Hörspiele entstanden. Außerdem wurde zu dieser Zeit der Arche Verlag zu seinem Stammverlag. Seine beiden Krimis – Der Verdacht hiess der zweite – wurden ab 1950 zuerst als Fortsetzungsgeschichten im Schweizerischen Beobachter veröffentlicht. Die Dürrenmatts bezogen 1952 ihren dauerhaften Wohnsitz in Neuenburg.
1952 entstand sein Theaterstück Die Ehe des Herrn Mississippi, mit dem er seinen ersten grossen Erfolg auf den bundesdeutschen Bühnen verzeichnen konnte. Weltweiten Erfolg erzielte er mit seiner Komödie Der Besuch der alten Dame. Die Physiker, er bezeichnete dieses Werk ebenfalls als Komödie, wurde sein erfolgreichstes Theaterstück. Für sein Schaffen erhielt er viele Auszeichnungen. In den 1960ern stand Dürrenmatt mit seinen Theaterwerken auf dem Höhepunkt seines Öffentlichkeitserfolges.
Zu grossem Ruhm verhalf Dürrenmatt zudem sein Drehbuch zu dem Heinz-Rühmann-Film Es geschah am helllichten Tag (1958), nach dessen Vorbild er auch seinen Roman Das Versprechen schrieb. Der Film gilt noch heutzutage als einer der größten deutschen Kriminalfilme.
Dürrenmatt widmete sich teilweise hauptberuflich der praktischen Theaterarbeit, erst an Basler Bühnen, nach einem Herzinfarkt im Oktober 1969 in der Neuen Schauspiel AG in Zürich, schließlich in Düsseldorf. Dort fanden zwei seiner Uraufführungen statt, Porträt eines Planeten und Titus Andronicus. Er inszenierte mehrere spektakuläre Wiederaufführungen seiner eigenen Stücke, so 1978 in Wien Der Meteor (1964/65).
Dürrenmatt nahm als gesellschaftskritischer Autor in Essays, Vorträgen und Festreden Stellung zur internationalen Politik, etwa mit Amerika (1970), dem Pressetext Ich stelle mich hinter Israel (1973) und einem Vortrag zum 100. Geburtstag von Albert Einstein an der ETH Zürich (1979). Im Februar 1987 nahm er an der von Michail Gorbatschow einberufenen Friedenskonferenz in Moskau teil.[2] 1990 hielt er zwei Reden zu Václav Havel und Michail Gorbatschow, die unter dem Titel Kants Hoffnung erschienen.
Für die 29-bändige Werkausgabe, die 1980 im Arche Verlag (gebunden) und im Diogenes Verlag (als Taschenbuch) erschien, hatte Dürrenmatt von den meisten seiner Werke Neufassungen hergestellt. In dieser Zeit setzte er sich intensiv mit seiner eigenen Arbeitsweise und seinen von ihm erschaffenen Figuren und Orten auseinander, mündend in den beiden Bänden Labyrinth. Stoffe I–III (1981) und Turmbau. Stoffe IV–IX (1990). Aus Typoskripten wurde 1992 postum unter dem Titel Gedankenfuge eine Fortsetzung der Stoffe veröffentlicht.
- „Aber die Stoffe sind die Resultate meines Denkens, die Spiegel, in denen, je nach ihrem Schliff, mein Denken und damit auch mein Leben reflektiert werden.“[3]
In den 1980ern erhielt er wieder eine Reihe von Auszeichnungen.
Am 16. Januar 1983 starb seine Frau Lotti. Dürrenmatt heiratete am 8. Mai 1984 die Schauspielerin, Filmemacherin und Journalistin Charlotte Kerr. Zusammen brachten sie den Film Porträt eines Planeten und das Theaterstück Rollenspiele heraus. Am 14. Dezember 1990 starb Friedrich Dürrenmatt in Neuenburg im Alter von 69 Jahren. Charlotte Kerr hat ihre Erinnerungen an die gemeinsame Zeit in ihrem Buch Die Frau im roten Mantel verarbeitet. Postum wurde Dürrenmatt mit Einverständnis seiner Witwe in die Lord Jim Loge aufgenommen. Im September 2000 wurde in seinem Wohnhaus das Centre Dürrenmatt eröffnet, wo seither Ausstellungen und Veranstaltungen zu seinem Schaffen stattfinden.
Dürrenmatts Dramentheorie
Ähnlich wie Bertolt Brecht (1898–1956), dessen Theorien zum epischen Theater Dürrenmatt studierte, wollte er beim Zuschauer Distanz zum Geschehen auf der Bühne erzeugen. Der Zuschauer soll nicht weiter die Rolle eines passiven Konsumenten innehaben. Er soll zum eigenständigen Nachdenken angeregt werden.
Dazu bevorzugte Dürrenmatt das Stilmittel der Verfremdung, z. B. allgemein Anerkanntes wird hinterfragt und die Widersprüchlichkeit gesellschaftlicher Strukturen offenbart. Ebenso charakteristisch sind tragisch-groteske Elemente, also eine Verbindung von scheinbar Unvereinbarem. Im Gegensatz zu Brecht präsentierte Dürrenmatt aber keine Weltanschauung (bei Brecht: Marxismus).
Dürrenmatt schuf so seinen eigenen Typus der Tragikomödie, einer Mischform aus Tragödie und Komödie, seiner Meinung nach «die einzig mögliche dramatische Form, heute das Tragische auszusagen». Denn die Tragödie setzt, wie Dürrenmatt in seinem Text Theaterprobleme von 1955 sagt, „Schuld, Not, Maß, Übersicht, Verantwortung“ voraus, um ihr Ziel, die Läuterung des Einzelnen, zu erreichen. In der Unübersichtlichkeit der modernen Welt, so Dürrenmatt, werde Schuld verwischt und abgeschoben, der Moderne komme nur die Groteske bei.[4]
Auszeichnungen (Auswahl)
- 1948 Welti-Preis für Es steht geschrieben
- 1954 Literaturpreis der Stadt Bern
- 1959 Schillerpreis der Stadt Mannheim
- 1960 Grosser Schillerpreis
- 1969 Ehrendoktorwürde der Temple University in Philadelphia
- 1977 Buber-Rosenzweig-Medaille
- 1979 Literaturpreis der Stadt Bern
- Ehrendoktortitel in Jerusalem und Nizza
- 1983 Österreichischen Staatspreis für Europäische Literatur
- 1986 Georg-Büchner-Preis
Literatur
- Elisabeth Brock-Sulzer: Friedrich Dürrenmatt. Stationen seines Werkes. Arche, Zürich 1960; Diogenes, Zürich 1986, ISBN 3-257-21388-3
- Everett M. Ellestad: Friedrich Durrenmatt’s „Mausefalle“. German Quarterly, 43, 4, 770-779, November 1970
- Heinrich Goertz: Friedrich Dürrenmatt. Rowohlt, Reinbek 1987; 11. A. 2006, ISBN 3-499-50380-8 (Rowohlts Monographien 380)
- Daniel Keel (Hrsg.): Über Friedrich Dürrenmatt. Essays, Zeugnisse und Rezensionen von Gottfried Benn bis Saul Bellow. Diogenes, Zürich 1980; 6. erw. A. 1998, ISBN 3-257-20861-8
- Gerhard P. Knapp: Friedrich Dürrenmatt. Metzler, Stuttgart 1980; 2. erw. A. 1993, ISBN 3-476-12196-8 (Sammlung Metzler 196)
- Jan Knopf: Friedrich Dürrenmatt. Beck, München 1976; 4. erw. A. 1988, ISBN 3-406-33158-0 (Beck’sche Reihe 611)
Weblinks
- Dürrenmatt, Friedrich. In: Historisches Lexikon der Schweiz.
- Dürrenmatt, Friedrich im HVBE
- Autoren-Webseite des Diogenes Verlags
- Website des Centre Dürrenmatt Neuchâtel
- Kommentierte Linksammlung der FU Berlin
- * Schweizerisches Literaturarchiv (SLA). Nonkonformismus Archiv Fredi Lerch - Dürrenmatt, Friedrich
Bestände UB Bern
- Autorenhomepage von Friedrich Dürrenmatt (NB, wenn Kategorie = Webarchiv)
Einzelnachweise
- ↑ 20 Minuten: "Dürrenmatts Flirt mit den Nazis"
- ↑ Beitrag von Christoph Siegrist über Friedrich Dürrenmatt in Killy Literaturlexikon, Digitale Bibliothek Band 9, 1999
- ↑ Zitiert aus: Labyrinth, Zürich 1981, S. 11.
- ↑ Dürrenmatt, Friedrich (1966): Theaterprobleme. Theater-Schriften und Reden, S. 122-23. Zürich, Verlag der Arche.
Quellen
Dieser Text entstand auf Grundlage der Freien Enzyklopädie Wikipedia und wurde am 20.02.2011 hier eingestellt. Der Originaltext wurde unter der GNU Free Documentation License und der Creative Commons Lizenz (CC-BY-SA) veröffentlicht. (Originalversion in der Wikipedia)