Walser, Robert
Robert Walser (* 15. April 1878 in Biel, Kanton Bern, Schweiz; † 25. Dezember 1956 nahe Herisau, Kanton Appenzell Ausserrhoden, Schweiz) war ein deutschsprachiger schweizerischer Schriftsteller.
Leben
1878–1897
Robert Otto Walser stammte aus einer kinderreichen Familie. Sein Bruder Karl Walser war ein bekannter Bühnenbildner und Maler. Walser wuchs in Biel, das an der deutsch-französischen Sprachgrenze liegt, zweisprachig auf. Er besuchte dort die Primarschule und das Progymnasium, das er, da die Familie den Schulbesuch nicht mehr bezahlen konnte, vor dem Examen verließ. Schon früh war Walser theaterbegeistert; sein Lieblingsstück war Die Räuber von Schiller. Überliefert ist ein Aquarell Karl Walsers, das Robert Walser als Karl Moor zeigt.
Von 1892 bis 1895 machte Walser eine Lehre bei der Kantonalbank von Bern in Biel. Im Anschluss arbeitete er kurze Zeit in Basel. Walsers Mutter, die „gemütskrank“ (eine zeitgenössische Bezeichnung für eine psychische Erkrankung, eventuell eine Depression) war, starb 1894, nachdem sie schon länger hatte gepflegt werden müssen. 1895 zog Walser nach Stuttgart, wo sein Bruder Karl lebte. Dort arbeitete er bei der Union Deutsche Verlagsgesellschaft und beim Verlag Cotta als Bürokraft und versuchte nebenbei ohne Erfolg Schauspieler zu werden, wozu er bei einer Schauspielerin des Hoftheaters vorsprach. Zu Fuß wanderte er in die Schweiz zurück, wo er sich Ende September 1896 in Zürich anmeldete. In den folgenden Jahren arbeitete Robert Walser häufig – wenn auch unregelmäßig und in rasch wechselnden Anstellungen – als „Kommis“, das heißt als Büroangestellter und Schreibkraft. Als einer der ersten deutschsprachigen Autoren führte er das Angestelltendasein in der Folge als Topos in die Literatur ein.
1898–1912
1898 veröffentlichte der einflussreiche Kritiker Joseph Victor Widmann eine Reihe von Gedichten Walsers in der Berner Zeitung Der Bund. Franz Blei, dadurch auf ihn aufmerksam geworden, führte ihn 1899 in den vom Jugendstil geprägten Kreis um die Zeitschrift Die Insel ein, wo er unter anderen Frank Wedekind, Max Dauthendey und Otto Julius Bierbaum kennenlernte. In der Insel erschienen in der Folge Gedichte, Dramolette und einzelne Prosastücke Walsers.
Walsers Hauptwohnsitz – die Zimmer wechselte er sehr häufig – sollte noch bis 1905 Zürich bleiben, wobei er für einige Zeit auch in Thun, Solothurn, Winterthur und München lebte. 1903 absolvierte er die Rekrutenschule und war ab dem Sommer „Gehülfe“ eines Ingenieurs und Erfinders in Wädenswil bei Zürich. Diese Episode sollte den Stoff für seinen Roman Der Gehülfe (1908) liefern. 1904 erschien Walsers erstes Buch Fritz Kochers Aufsätze im Insel Verlag.
Im Spätsommer 1905 absolvierte er in Berlin einen Kurs zur Ausbildung als Diener und ließ sich als solcher im Herbst 1905 einige Monate auf Schloss Dambrau in Oberschlesien anstellen. Die Thematik des Dienens wird in der Folge sein Werk durchziehen – besonders ausgeprägt in seinem Roman Jakob von Gunten (1909). Anfang 1906 ging Robert Walser wieder nach Berlin, wo sein Bruder Karl Walser, der dort schon einige Zeit erfolgreich als Maler, Buchgrafiker und Bühnenbildner lebte, ihm Zugang zu Literaten-, Verleger- und Theaterkreisen eröffnete. Zeitweise arbeitete Walser als Sekretär der Künstlervereinigung Berliner Secession. Unter anderem machte er in dieser Zeit die Bekanntschaft des Verlegers Samuel Fischer, des Industriellen Walther Rathenau und des Schauspielers Alexander Moissi.
In Berlin schrieb Walser seine Romane Geschwister Tanner, Der Gehülfe und Jakob von Gunten. Die Bücher wurden im Verlag von Bruno Cassirer veröffentlicht; sein Lektor dort war Christian Morgenstern. Neben den Romanen schrieb er in dieser Zeit zahlreiche Prosastücke, in denen er sprachspielerisch und sehr subjektiv oft aus der Sicht eines ärmlichen Flaneurs populäre Lokale wie beispielsweise „Aschinger“ oder die „Gebirgshallen“ skizziert. Die Romane und Prosastücke – von denen viele in der Schaubühne erschienen – fanden eine sehr positive Aufnahme. Unter anderem priesen Robert Musil und Kurt Tucholsky die Prosa Walsers, und solch unterschiedliche Autoren wie Hermann Hesse und Franz Kafka zählten Walser zu ihren Lieblingsautoren.
Kleine Prosastücke publizierte Robert Walser in großer Zahl in Zeitungen und Zeitschriften. Diese „kleine Form“ sollte zu seinem Markenzeichen werden. Der größte Teil seines umfangreichen Werks besteht aus solchen Prosastücken – literarischen Skizzen, die sich einer genaueren Kategorisierung entziehen. Auswahlen aus diesen Texten wurden auch als Bücher veröffentlicht, so in den Bänden Aufsätze (1913) und Geschichten (1914).
1913–1929
1913 ging Walser in die Schweiz zurück, wo er anfangs für kurze Zeit bei seiner Schwester Lisa in der Pflegeanstalt für Geisteskranke in Bellelay wohnte, in der sie als Lehrerin arbeitete. Dort lernte er die Wäscherin Frieda Mermet kennen, mit der ihn ab dann eine enge Freundschaft verband. Nach einem kurzen Aufenthalt bei seinem Vater in Biel bezog er schließlich daselbst im Juli 1913 eine Mansarde im Hotel Blaues Kreuz. 1914 starb Walsers Vater.
In Biel schrieb Robert Walser eine Vielzahl von kleinen Prosastücken, die in Zeitungen und Zeitschriften in Deutschland und der Schweiz erschienen und in Auswahl in den Bänden Kleine Dichtungen (1915), Prosastücke (1917), Kleine Prosa (1917), Poetenleben (1918) und Seeland (1919) gedruckt wurden. Der Spaziergang (1917) ist eine umfangreichere Prosaarbeit, die zunächst selbständig herauskam (dann überarbeitet in Seeland). Walser, der immer schon ein begeisterter Spaziergänger war, begann in dieser Zeit regelmäßig lange Fußtouren, oft auch Nacht- und geradezu Gewaltmärsche zu unternehmen. In seinen Prosastücken dieser Zeit wechseln solche aus der Sicht des Wanderers, der fremd durch die nahe Fremde geht, sich ab mit spielerischen Aufsätzen über Schriftsteller und Künstler.
Während des Ersten Weltkriegs musste Walser wiederholt Militärdienst leisten. Ende 1916 starb Walsers Bruder Ernst, der einige Zeit schon psychisch erkrankt war, in der Heilanstalt Waldau. 1919 nahm sich Walsers Bruder Hermann, Professor der Geographie in Bern, das Leben. Walser geriet in dieser Zeit, auch da er durch den Krieg von Deutschland weitgehend abgeschnitten war, in die Isolation. Zudem konnte er als freier Schriftsteller, obwohl er eifrig produzierte, kaum leben. Anfang 1921 zog Walser deshalb nach Bern, wo er für einige Monate eine Stellung als Bibliothekar im Staatsarchiv annahm. In Bern lebte er sehr zurückgezogen und wohnte in möblierten Zimmern, die er häufig wechselte.
In der Berner Zeit radikalisierte sich Walsers Stil. In immer stärker verdichteter Form schrieb er „Mikrogramme“ (so genannt nach der winzigen, schwer zu entziffernden Bleistiftschrift, die Walser zur Niederschrift benutzte), das heißt Entwürfe zu Gedichten, Prosastücken, Szenen und einen ganzen Roman (Der Räuber), von denen er nur einen Teil auch mit der Feder in Reinschrift ausführte, um sie Redaktionen zum Abdruck einzureichen. In diesen Texten verdichtete er seinen sprachspielerisch subjektiven Stil zu noch höherer Abstraktion. Viele Texte dieser Zeit arbeiten auf mehreren Ebenen – sie können sowohl als naiv-verspielte Feuilletons gelesen werden, wie auch als hochkomplexe, anspielungsreiche Montagen. Walser nahm dabei gleichermaßen Einflüsse aus der Hoch- wie auch Trivialliteratur auf und erzählte beispielsweise die Handlung von Bahnhofsromanen nach, jedoch so, dass das – nie genannte – Original nicht mehr wieder zu erkennen war. Ein großer Teil von Walsers Werk entstand in diesen sehr produktiven Jahren in Bern, er fand jedoch nur noch für ein schmales Buch einen Verlag: Die Rose (1925). Die meisten Texte erschienen nur weit verstreut in Zeitungen und Zeitschriften, wenn sie nicht überhaupt unveröffentlicht bei ihm liegen blieben oder verloren gingen, wie ein weiterer Roman namens Theodor. Die in den mikrographischen Bleistiftentwürfen enthaltenen sonst unbekannten Texte wurden 1985–2000 von Bernhard Echte und Werner Morlang entziffert und in sechs Bänden ediert (Aus dem Bleistiftgebiet). Zuvor hatten daraus Jochen Greven und Martin Jürgens 1972 erst den Räuber-Roman und die Felix-Szenen entziffert und herausgegeben.
1929–1956
Anfang 1929 begab sich Walser, der schon seit einiger Zeit von Angstzuständen und Halluzinationen geplagt wurde, nach einem geistigen Zusammenbruch auf Rat eines Psychiaters und Drängen seiner Schwester Lisa Walser in die Heilanstalt Waldau bei Bern. In einem Arztprotokoll heißt es: „Der Patient gibt zu, Stimmen zu hören.“ Von einer freiwilligen Selbsteinlieferung kann daher vielleicht nicht gesprochen werden. In der Anstalt normalisierte sich Walsers Zustand nach einigen Wochen und er verfasste und publizierte weiter Texte, wenn auch mit Pausen und insgesamt sehr viel weniger als in den vorausgegangenen Jahren. Dabei bediente er sich weiterhin der von ihm als „Bleistiftmethode“ bezeichneten Schreibweise: In kleinster Deutscher Kurrentschrift, deren Buchstaben gegen Ende dieser Phase kaum mehr höher als ein Millimeter waren, schrieb er Gedichte und Prosatexte, auch Mikrogramme genannt, die er in einem zweiten Arbeitsgang auswählend und redigierend mit der Feder ins Reine übertrug. Allerdings sind nicht viele Entwürfe aus dieser Zeit erhalten, mehr Reinschriften und veröffentlichte Texte. Erst als Walser gegen seinen Willen 1933 in seinen Heimatkanton in die Heil- und Pflegeanstalt Herisau versetzt wurde – und vermutlich auch, weil mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten ein wesentlicher Markt zur Veröffentlichung seiner Texte in deutschen Zeitungen und Zeitschriften verschwunden war –, hörte er mit dem Schreiben auf.
In der Heilanstalt Herisau besuchte ihn ab 1936 häufig sein Bewunderer – und späterer Vormund – Carl Seelig, der später in dem Buch Wanderungen mit Robert Walser über seine Gespräche mit Walser aus dieser Zeit berichtet hat. Carl Seelig bemühte sich früh darum, den fast schon vergessenen Robert Walser durch Neuausgaben seiner Werke wieder bekannt zu machen. Nach dem Tod des Bruders Karl (1943) und der Schwester Lisa (1944) übernahm Seelig die Vormundschaft. Walser, der zwar verschroben war, aber schon lange keine Zeichen psychischer Krankheit mehr zeigte, lehnte es in dieser Zeit wiederholt ab, die Anstalt zu verlassen.
Robert Walser liebte lange, einsame Spaziergänge. Am ersten Weihnachtsfeiertag 1956 starb er an einem Herzschlag bei einer Wanderung durch ein Schneefeld, wo er kurz darauf gefunden wurde. Die Fotografien des toten Spaziergängers im Schnee erinnern fast unheimlich an ein ähnliches Bild eines Toten im Schnee aus Robert Walsers erstem Roman Geschwister Tanner.
Werk und Rezeption
Allgemeines
Typisch für Robert Walsers Texte ist eine verspielte Heiterkeit, unterlegt jedoch von oft handfesten existenziellen Ängsten. Viele besonders der frühen Werke wirken beim ersten Lesen naiv und verspielt, doch hinter dieser vermeintlichen Einfachheit verbergen sich zum einen sehr moderne, genaue Alltagsbeobachtungen, die andererseits häufig weg von der Realität in eine höchst künstliche, selbstbezogene Form- und Sprachwelt führen. Heute gehören Walsers Texte, die erst ab Mitte der 1960er Jahre vollständig ediert wurden, gerade deshalb zu den wesentlichen Werken der literarischen Moderne. In seiner Sprache finden Anklänge an das Schweizerdeutsche einen charmanten und frischen Ausdruck, während gleichzeitig sehr persönliche Betrachtungen verwoben werden mit „Texten über Texte“, das heißt Reflexionen über oder auch Variationen von anderen literarischen Werken. Dabei mischt Walser oft Trivial- mit Hochliteratur.
Walsers „Phasen“
Grob gesagt lässt sich Walsers Werk in vier „Epochen“ unterteilen: Die frühen Werke, die im Umfeld von Jugendstil und sthetizismus standen; die vergleichsweise „realistischen“ Werke der Berliner Zeit (in der sämtliche zu Lebzeiten Walsers veröffentlichten Romane entstanden); die vordergründig stark auf „Heimatkunst“ und Schweizer Sujets zurückgreifenden Schriften der „Bieler Zeit“; und die immer abstrakter, hermetisch werdenden Prosastücke, Gedichte und Dramolette der „Berner Zeit“, die dem Umfang nach den größten Teil von Walsers Werk ausmachen.
Die Anfänge: 1898–1905
Walser debütierte mit Gedichten (viele davon erschienen 1909 in dem von Karl Walser illustrierten Band Gedichte).
- Im Bureau
- Der Mond blickt zu uns hinein,
- er sieht mich als armen Kommis
- schmachten unter dem strengen Blick
- meines Prinzipals.
- Ich kratze verlegen am Hals,
- Dauernden Lebenssonnenschein
- kannte ich noch nie.
- Mangel ist mein Geschick;
- kratzen zu müssen am Hals
- unter dem Blick des Prinzipals.
- Der Mond ist die Wunde der Nacht,
- Blutstropfen sind alle Sterne.
- Ob ich dem blühenden Glück auch ferne,
- ich bin dafür bescheiden gemacht.
- Der Mond ist die Wunde der Nacht.
- (1897/98)
Hier, nimmt man die letzte Strophe, werden Klischees der Romantik bzw. der seinerzeit sehr beliebten Neuromantik aufgegriffen und mit einer in der ersten Strophe geschilderten Alltagssituation aus dem einfachen Leben vermeintlich ungeschickt in Beziehung gesetzt. Was Walser hier, wie in seinen frühen Prosastücken, gelingt, ist es abgelebte, erstarrte literarische Formen mit einer neuen Perspektive „von unten“ (der des kleinen Angestellten, einer Bürokraft – des „Kommis“) in Verbindung, in Kontrast zu setzen und so mit neuem Leben zu erfüllen. Walsers frühe Texte – hier ist sich die Kritik einig - gelten als frühe Beispiele einer „Angestelltenliteratur“, die das damals noch neue Sujet der „Bürowelt“ in die Literatur holt.
Ähnlich verfährt er in Texten wie in den in Fritz Kochers Aufsätzen gesammelten Prosastücken. Abgegriffene Themen, die tausende von Schülern dem Beispiel der Klassiker folgend in Schulaufsätzen abhandeln müssen, greift er, ohne dabei direkt ironisch oder parodistisch vorzugehen, auf - und unterläuft sie durch seine beinah sklavische Verehrung der vorgegebenen Form, seine ganz unironische Art, das noch so platte Thema ernsthaft, persönlich und als wäre es neu behandeln zu wollen: „Es ist schwer, über die Natur zu schreiben, besonders für einen Schüler der A-Klasse. Über Menschen geht es an: man hat feste Züge. Die Natur aber ist so verschwommen, so fein, so ungreifbar, so unendlich. Dennoch versuche ich es. Ich liebe es, mich mit dem Schweren herumzubalgen. Nichts ist unmöglich habe ich schon irgendwo sagen gehört.“ (Die Natur, 1902) Hier zeichnen sich bereits Charakteristiken ab, die Walsers gesamtes Werk durchziehen: Bescheidenheit, Unterwürfigkeit, die jedoch so halsstarrig ist, dass sie das, dem sie sich zu unterwerfen vorgibt, gerade umso mehr untergräbt.
1905–1913: Die Berliner Jahre
In seiner Berliner Zeit entstanden nicht nur Walsers Romane Geschwister Tanner, Der Gehülfe und Jakob von Gunten, sondern auch zahlreiche, in großen Zeitungen und Zeitschriften veröffentlichte Prosastücke, die das Leben im wilhelminischen Berlin aus der Sicht von unten, der Sicht eines kleinbürgerlichen Müßiggängers schildern: „Wenn einer den Mund gerade voll hat, so sehn zu gleicher Zeit seine Augen einen, der mit Hereinschieben betätigt ist an. Und die Leute lachen nicht einmal, auch ich nicht. Seit ich in Berlin bin, habe ich mir abgewöhnt, das Menschliche lächerlich zu finden.“ (Aschinger, 1908)
Dieser „Realismus“ findet sich am deutlichsten im Roman Der Gehülfe. In anderen Texten jedoch, allen voran Jakob von Gunten, verwandelt sich diese realistische Welt, ohne deshalb romantisch oder märchenhaft zu werden, in ein unbegreifliches Monstrum, das, mit allen banalen Details des Alltags versehen, doch gerade deswegen ein noch größeres, ganz und gar undurchdringliches Rätsel aufwirft. Nicht ohne Grund bewunderte Franz Kafka, dessen frühen Texte ähnlich funktionieren, besonders Walsers Arbeiten aus dieser Zeit.
1913–1921: Schweizer Provinz
Diese Jahre verbrachte Robert Walser überwiegend in Biel (Schweiz).
1921–1933: Schreiber und Schriftkünstler
Robert Walser siedelt nach Bern über. Ab 1929 setzt er seine literarische Arbeit in der Heilanstalt Waldau bei Bern noch bis 1933 fort.
Rezeption
Walser, der vielleicht mit Ausnahme seiner frühen Jahre im Umkreis der Zeitschrift Die Insel nie einer literarischen Schule, Gruppe oder Richtung angehörte, war vor dem Ersten Weltkrieg und auch noch in den 1920er Jahren ein angesehener, viel veröffentlichter Autor, zuletzt freilich fast nur noch als Feuilletonist. In den 1930er Jahren geriet er jedoch zumal in Deutschland schnell in Vergessenheit, woran auch Carl Seeligs Editionen, die in der Schweiz erschienen und fast nur dort beachtet wurden, wenig änderten.
Robert Walser wurde erst ab den 1970er Jahren in breiterem Umfang wiederentdeckt, obwohl Christian Morgenstern, Robert Musil, Kurt Tucholsky, Franz Kafka, Walter Benjamin und Hermann Hesse zu seinen großen Bewunderern gehört hatten. Seither sind fast alle seine Schriften durch eine umfangreiche Werkausgabe und die Edition der späten Entwurfmanuskripte zugänglich gemacht worden. Walsers Wirkung auf so unterschiedliche zeitgenössische Autoren wie beispielsweise Martin Walser, Peter Bichsel, Ror Wolf, Peter Handke, Elfriede Jelinek, W. G. Sebald oder auch Max Goldt ist bedeutend.
2003 schuf die Schweizer Grafikerin Käthi Bhend das Bilderbuch Einer, der nichts merkte zu einem Abschnitt aus dem Prosatext "Lampe, Papier und Handschuh" von Robert Walser (abgedruckt in dem Band "Spaziergang" bei Suhrkamp). [1]
1967 hat Robert Walsers Schwester Fanny Hegi-Walser ihren Nachlass an die 1966 von Dr. Elio Fröhlich gegründete Carl Seelig-Stiftung abgetreten unter der Bedingung, dass alle Dokumente in einem zu gründenden Robert Walser-Archiv verwahrt, gepflegt und zugänglich gemacht werden sollen. Getragen von der Stiftung wurde dieses 1973 gegründet. 1996 wurde von der Carl Seelig-Stiftung die Robert-Walser-Gesellschaft gegründet und die Stiftung selbst wurde 2004 in die Robert Walser-Stiftung Zürich umbenannt. Aufgrund von finanziellen Schwierigkeiten erfolgte 2009 der Umzug nach Bern und die Eröffnung des Robert Walser-Zentrums.
In seiner Heimatstadt Biel wurde 1978 die Stiftung Robert Walser Biel/Bienne gegründet, die den Robert Walser-Preis verleiht.
Auszeichnungen
- André-Gide-Preis für Auszüge (77 Texte) aus Mikrogramme in der Übersetzung in das Französische durch Marion Graf, 2002 (unter dem Titel Le Territoire du crayon. Microgrammes. Genf: Edition Zoé, 2000)
Einzelnachweise
Werke
"Gesamtwerk"
- Das Gesamtwerk (12 in 13 Bänden). Herausgegeben von Jochen Greven und Jörg Schäfer unter Mitarbeit von Robert Mächler, Genf / Hamburg: Verlag Helmut Kossodo, 1966-1975.
Kritische Robert Walser-Ausgabe
- Band I.2 Geschwister Tanner (Erstdruck). Hrsg. Wolfram Groddeck, Barbara von Reibnitz und Matthias Sprünglin. Frankfurt a.M., Basel 2008. 340 Seiten, gebunden im Schuber, ISBN 978-3-86600-024-7
- Band IV.1 Geschwister Tanner (Manuskript). Hrsg. Wolfram Groddeck, Barbara von Reibnitz und Matthias Sprünglin.Frankfurt a.M., Basel 2008. 412 Seiten, Großformat, mit ca. 290 Hs.-Faksimiles und CD-ROM. Gebunden im Schuber, ISBN 978-3-86600-022-3
Einzelausgaben
- Fritz Kochers Aufsätze, 1904, ISBN 3-518-37601-2
- Geschwister Tanner, 1907, ISBN 3-518-39982-9
- Der Gehülfe, 1908, ISBN 3-518-37610-1 (2005/2006 aufgenommen in Schweizer Bibliothek von Das Magazin)
- Jakob von Gunten, 1909, ISBN 3-518-37611-X
- Gedichte, 1909
- Aufsätze, 1913 ISBN, 3-518-37603-9
- Geschichten, 1914, ISBN 3-518-37602-0
- Kleine Dichtungen, 1914, ISBN 3-518-37604-7
- Prosastücke, 1916
- Der Spaziergang, 1917, ISBN 3-518-37605-5
- Kleine Prosa, 1917
- Poetenleben, 1917, ISBN 3-518-01986-4
- Komödie, 1919
- Seeland, 1920, ISBN 3-518-37607-1
- Die Rose, 1925, ISBN 3-518-37608-X
- Der Räuber, 1925 (veröffentlicht 1972), ISBN 3-518-37612-8
- Große kleine Welt, 1937
- Stille Freuden, 1944
- Dichterbildnisse, 1947
- Dichtungen in Prosa, 5 Bände 1953-1961
- Unbekannte Gedichte, 1958
- Lektüre für Minuten, 1978, ISBN 3-518-04615-2
- Robert Walser - Briefe, 1979, ISBN 3-518-36988-1
- An die Heimat, 1980, ISBN 3-518-01719-5
- Der Spaziergang. Prosastücke und Kleine Prosa., 1985, ISBN 3-518-37605-5
- Bedenkliche Geschichten. Prosa aus der Berliner Zeit 1906-1912, 1985, ISBN 3-518-37615-2
- Träumen. Prosa aus der Bieler Zeit 1913-1920, 1985, ISBN 3-518-37616-0
- Die Gedichte, 1986, ISBN 3-518-37613-6
- Komödie. Märchenspiele und szenische Dichtung, 1986, ISBN 3-518-37614-4
- Wenn Schwache sich für stark halten. Prosa aus der Berner Zeit 1921-1925, 1986, ISBN 3-518-37617-9
- Zarte Zeilen. Prosa aus der Berner Zeit 1926, 1986, ISBN 3-518-37618-7
- Es war einmal. Prosa aus der Berner Zeit 1927-1928, 1986, ISBN 3-518-37619-5
- Für die Katz. Prosa aus der Berner Zeit 1928-1933, 1986, ISBN 3-518-37620-9
- Aus dem Bleistiftgebiet Band 1. Mikrogramme 1924/25, 1985, ISBN 3-518-03234-8
- Aus dem Bleistiftgebiet Band 2. Mikrogramme 1924/25, 1985, ISBN 3-518-03234-8
- Aus dem Bleistiftgebiet Band 3. Räuber-Roman, Felix-Szenen, 1986, ISBN 3-518-03085-X
- Aus dem Bleistiftgebiet Band 4. Mikrogramme 1926/27, 1990, ISBN 3-518-40224-2
- Aus dem Bleistiftgebiet Band 5. Mikrogramme 1925/33, 2000, ISBN 3-518-40851-8
- Aus dem Bleistiftgebiet Band 6. Mikrogramme 1925/33, 2000, ISBN 3-518-40851-8
- Unsere Stadt. Texte über Biel., 2002, ISBN 3-907142-04-7
- Feuer. Unbekannte Prosa und Gedichte., 2003, ISBN 3-518-41356-2
- Tiefer Winter. Geschichten von der Weihnacht und vom Schneien. Hg. v. Margit Gigerl, Livia Knüsel u. Reto Sorg. Frankfurt: Insel Taschenbuch Verlag 2007, ISBN 978-3-458-35026-2
Literatur
- Amann Jürg: Robert Walser, 1985/2006, ISBN 978-3-257-06553-4
- Walter Benjamin: Robert Walser, 1929 (Aufsatz) Volltext
- Klaus Bonn, Edit Kovács, Csaba Szabó (Hg.): Entdeckungen. Über Jean Paul, Robert Walser, Konrad Bayer und anderes, 2002, ISBN 3-631-38399-1
- Bernhard Echte: Die Brüder Karl und Robert Walser. Maler und Dichter., 1990, ISBN 3-907960-37-8
- Bernhard Echte: Walsers Kindheit und Jugend in Biel. Biographischer Essay., 2002, ISBN 3-907142-05-5
- Bernhard Echte: Robert Walser. Sein Leben in Bildern und Texten, Suhrkamp, 2008, ISBN 978-3-518-41860-4
- Elio Fröhlich, Peter Hamm (Hrsg.): Robert Walser - Leben und Werk in Daten und Bildern, 1980, ISBN 3-458-31964-6
- Jochen Greven: Robert Walser. Figur am Rande in wechselndem Licht, 1992, ISBN 3-596-11378-4
- Jochen Greven: Robert Walser. Ein Aussenseiter wird zum Klassiker, 2003, ISBN 3-596-11378-4
- Elfriede Jelinek: er nicht als er (zu, mit Robert Walser). Ein Stück, 1998, ISBN 3-518-41024-5
- Martin Jürgens: Seine Kunst zu zögern. Elf Versuche zu Robert Walser, 2006, ISBN 978-3-938568-46-0
- Katharina Kerr (Hrsg.): Über Robert Walser, 1979 (3 Bände), ISBN 3-518-06983-7
- Robert Mächler: Das Leben Robert Walsers, 1976, ISBN 3-518-39986-1
- Lukas Märki: Auf den Spuren Robert Walsers. Interaktive CD-ROM., 2002, ISBN 3-907142-07-1
- E.Y. Meyer: Eine entfernte Ähnlichkeit. Eine Robert-Walser-Erzählung, Folio Verlag, 2006, ISBN 978-3-85256-341-1
- Catherine Sauvat: Vergessene Welten. Biographie zu Robert Walser., 1993, ISBN 3-905208-01-6
- Carl Seelig: Wanderungen mit Robert Walser, 1957, ISBN 3-518-01554-0
- Christoph Jakob: „Robert Walsers Hermeneutik des Lebens“, 1997, ISBN 3-8265-3854-4
- Joa Gugger: Robert Walsers „Wilde Jahre“. Eine illustrierte Auslese, 2006, ISBN 3-85882-429-1
- Diana Schilling: Robert Walser. Rowohlt Verlag, Reinbek 2007, ISBN 978-3-499-50660-4
- Wolfram Groddeck, Reto Sorg, Peter Utz, Karl Wagner (Hrsg.): Robert Walsers 'Ferne Nähe'. Neue Beiträge zur Forschung. Fink, München 2007, ISBN 978-3-7705-4517-9
Theateraufführungen
- Jakob von Gunten - Die hohe Schule der Demut nach dem Roman von Robert Walser, Regie: Martin Jürgens sursumcorda Theater- und Filmproduktion 2000-2007
- robert walser - mikrogramme - das kleine welttheater, Regie: Christian Bertram, Bühne: Max Dudler, Musik: Hans Peter Kuhn, Uraufführung 14. April 2005 Berlin; Lesungen, Filme und Podiumsdiskussion im Begleitprogramm www.mikrogramme.de
Verfilmungen
- Jakob von Gunten, Filmregie: Georg Bühren, Theatherregie: Martin Jürgens, Buch: Martin Jürgens, Petra Moser, Andreas Ramstein, 2001
- Jakob von Gunten, Regie: Peter Lilienthal, Drehbuch: Ror Wolf und Peter Lilienthal, 1971
- Der Gehülfe, Regie: Thomas Koerfer, 1975
- Der Vormund und sein Dichter, Regie und Drehbuch: Percy Adlon, 1978 (freie Verfilmung von Seeligs Wanderungen mit Robert Walser)
- Robert Walser (1974-1978), Regie, Drehbuch: HHK Schoenherr
- Waldi, Regie und Drehbuch: Reinhard Kahn, Michael Leiner (nach der Erzählung Der Wald), 1980
- Institute Benjamenta, or This Dream People Call Human Life, Regie: Stephen Quay, Timothy Quay, 1995
- Branca de Neve, Regie: João César Monteiro, 2000
- „Robert Walser – Ein Poetenleben“, Fernsehdokumentation von Ernst Buchmüller, 2003
- „Ich stehe immer noch vor der Tür des Lebens. Robert Walser und die Kunst des Unterliegens.“ Regie: Peter Hamm, 1986.
- „Er, der Hut, sitzt auf ihm, dem Kopf. Robert Walser-Geschichten.“ Ein Sehbuch, gelesen von Bruno Ganz. Regie: Walo Deuber, 2006.
Weblinks
- Walser, Robert im HLS
- Walser, Robert im HVBE
- sursumcorda Theater- und Filmproduktion 2000 "Jakob von Gunten"
- Robert Walser-Zentrum
- Kritische Robert Walser-Ausgabe(erarbeitet an den Universitäten Zürich und Basel)
- Katalog der Robert Walser-Bibliothek des Robert Walser-Zentrums
- Auswahlbibliographie (zusammengestellt von Thorsten Fitzon) (PDF-Datei; 267 kB)
- www.ub.fu-berlin.de Kommentierte Linksammlung der Universitätsbibliothek der Freien Universität Berlin
- Biographie, Interpretationen, Zitate, Kurzinhalte, Bibliographie
- The case of Robert Walser in the Irish Journal of Psychology (PDF-Datei; 66 kB)
Bestände UB Bern
- Autorenhomepage von Robert Walser (NB, wenn Kategorie = Webarchiv)
Quellen
Dieser Text entstand auf Grundlage der Freien Enzyklopädie Wikipedia und wurde am 20.02.2011 hier eingestellt. Der Originaltext wurde unter der GNU Free Documentation License und der Creative Commons Lizenz (CC-BY-SA) veröffentlicht. (Originalversion in der Wikipedia)
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